Prusa i3 MK3S: PEEK Hochtemperatur-Kunststoffe verarbeiten

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Neben den gängigen 3D-Drucker-Bausätzen bietet der Markt auch eine große Auswahl an Geräten für industrielle Anwendungen. Damit können Hochtemperatur-Kunststoffe wie PEEK und PEI Filament aus Ultem verarbeitet werden. Einstiegsmodelle sind für etwa 5000 EURO zu haben, während andere Geräte weit über 11.000 EURO kosten. Mit diesem Artikel möchten wir unseren Lesern zeigen, dass auch ein Standard-3D-Drucker in der Lage ist, solche Materialien zu verarbeiten. Dafür hat uns die W2 Polymer GmbH freundlicherweise zwei Filamentspulen des Hochtemperatur-Kunststoffs PEEK zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hat uns VisionMiner das Nano Polymer Adhesive für eine optimale Haftung zur Verfügung gestellt.

In unserem umfangreichen Artikel Prusa i3 MK3S Mod: 3D-Drucker selber bauen haben wir einen Prusa i3 MK3S Bausatz fast vollständig modifiziert und diesen im Rahmen eines zweiten Artikels Prusa i3 MK3S Mod – Mosquito Upgrade auf ein Mosquito Hotend von Slice Engineering umgebaut, das im 3D-Drucker-Shop FreeForm4U bezogen werden kann. Um unseren PCPointer MKXS 3D-Drucker für den Druck von Hochtemperaturmaterialien vorzubereiten, haben wir unter anderem die Firmware angepasst und zahlreiche Druckerkomponenten mit einem wesentlich hitzebeständigeren Filament gedruckt.

Hochtemperatur-Kunststoffe

Mit den üblichen 3D-Druckern können Kunststoffe wie PLA, PETG und ABS ausgezeichnet verarbeiten. Auch Materialien für technische Anwendungen wie Nylon und Polycarbonat können damit gerade so noch gedruckt werden. Es gibt jedoch auch Hochleistungskunststoffe wie das PEEK Filament von der Firma W2 Polymer GmbH, die lediglich mit industriellen 3D-Druckern verarbeitet werden können. Das Polyetheretherketon gehört zu den thermoplastischen Kunstoffen, die sich von technischen Kunststoffen insbesondere durch ihre Temperaturbeständigkeit unterscheiden. Zudem ist das Material resistent gegenüber organische und anorganische Chemikalien und ultra stark belastbar. PEEK hat demnach ähnliche Eigenschaften wie Metall, ist gleichzeitig aber auch bis zu 70% leichter. Das Hochleistungsmaterial findet vor allem in der Luft- und Raumfahrtindustrie, aber auch im Medizin- und Automobilbereich Verwendung.

Voraussetzungen

Das PEEK von W2 Polymer GmbH ist genau das richtige Material, um die Leistungsfähigkeit unseres PCPointer i3 MKXS Mod mit dem Mosquito Hotend zu testen. Da der Schmelzpunkt des PEEK-Filaments bei ca. 340°C liegt, sollten alle selbstgedruckten Komponenten eines 3D-Druckers mindestens aus Polycarbonat bestehen, da diese sonst während dem Druckprozess schmelzen könnten. Das 3DXTECH CarbonX PC-Filament hat eine Glasübergangstemperatur von 147°C und kann mit einem Standard Prusa i3 MK3S Bausatz gerade so noch verarbeitet werden. Das Filament kann über den Webshop der W2 Polymer GmbH bezogen werden. In kürze wird das Filament auch über 3DJake, einem der größten europäischen Händler,  europaweit erhältlich sein. Ziel ist es, einige 3D-Drucker-Komponenten wie die Extruderteile später aus PEEK-Material herzustellen, um für weitere Upgrades eine noch höhere Hitzebeständigkeit zu erreichen.

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Prusa i3 MK3S Komponenten aus 3DXTECH CarbonX PC Filament

W2 Filaments® PEEK von W2 Polymer GmbH

Grundsätzlich ist der Prusa i3 MK3S nicht für das Drucken von PEEK oder anderen Hochtemperaturmaterialien ausgelegt. Dafür sind diverse Umbaumaßnamen erforderlich. Zum einen sollte die Druckerkammertemperatur 60-100°C betragen. Daher wird ein Umbau der Einhausung empfohlen, wobei in unserem Test 40-50°C noch ausreichend waren. Die Antriebsriemen und die Schrittmotoren sind für derart hohe Temperaturen eigentlich nicht ausgelegt. Dennoch können die Gates GT3-Zahnriemen bis zu einer Temperatur von 120°C genutzt werden, während die Schrittmotoren für Temperaturen bis etwa 80°C ausgelegt sind. Das MK52-Heizbett des Prusa i3 MK3S ist auf 125°C begrenzt, was für PEEK und ULTEM sehr grenzwertig ist. In unserem Test konnten wir das Heizbett über die Firmware auf bis zu 140°C über mehrere hundert Druckstunden problemslos betreiben. Ein geschlossener Druckraum ist hierbei aber ein Muss. Zudem sollte die gesamte Elektronik außerhalb der Druckerkammer verlagert werden. Insbesondere dann, wenn längere Druckzeiten über 4 Stunden und mehr notwending sind.

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PEEK Filament von W2 Filaments

Das PEEK-Filament der Marke W2 Filaments® bringt einige Vorteile mit sich. Es lässt sich wesentlich einfacher verarbeiten als PEEK von anderen Herstellern. Auch ohne beheizte Druckkammer kann das Material mit einem umgebauten FDM-3D-Drucker verarbeitet werden. Mit der entsprechenden Konfiguration des 3D-Druckers und optimalen Slicer-Einstellungen verwandelt sich unsere PCPointer i3 MKXS Mod in eine industrielle 3D-Druckmaschine. 

Die richtige Haftung

Hochtemperaturmaterialien wie PEEK reagieren bei auftretenden Temperaturunterschieden mit Materialverzug (Warping). In diversen Ratgebern werden Dauerdruckplatten mit einer PEI-Auflage emfohlen, wobei dies abhängig ist vom 3D-Drucker, der Materialzusammensetzung, der Druckerumgebung, den Slicer-Einstellungen und der Qualität der PEI-Folie. Eine sehr gute Alternative dazu sind sogenannte Borosilikat-Glas-Druckplatten (siehe auch Borosilikat-Glas-Druckplatte: PEEK mit dem Prusa i3 MK3S), die Temperaturen über 500°C standhalten und mit der richtigen Oberflächenbearbeitung für eine ausgezeichnete Haftung sorgen. Das Nano Polymer Adhesive von VisionMiner ist speziell für PEEK, Ultem, PPSU und andere Hochtemperaturmaterialien entwickelt worden. Es eignet sich aber auch ausgezeichnet für Polycarbonat, Nylon, ABS, PETG, PLA, PEI, PSU und andere Materialien. Das Mittel kann auf alle Arten von Druckplatten verwendet werden wie Borosilikat-Glas, Keramik-Glas, PCB-Boards, Aluminium, BuildTak, PEI und andere.

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Nano Polymer Adhesive von VisionMiner

Wer auf Borosilikat-Glas-Druckplatten setzt, sollte aber bedenken, dass die Haftkraft derart hoch ist, dass beim Druck von ABS das Glas brechen kann. In unserem Test haben wir zum Lösen der Bauteile nach dem Druck einen kleinen Eisbeutel unter die Glasplatte gelegt. Das Bauteil löste sich nach ca. 60 Sekunden von selbst. 

Die Verwendung des Nano Polymer Adhesive ist sehr einfach. Zunächst wird die entsprechende Druckplatte gereinigt (z.B. Isopropylalkohol) und anschließend nur die Stelle mit Kleber bestrichen, auf der das Bauteil später gedruckt werden soll. Dabei werden mit dem Kleber wie mit einem Stift ein “X” und ein Kreis drumherum aufgetragen. Mit dem mitgelieferten Pinsel wird der Kleber horizontal oder vertikal verstrichen. Für eine bessere Haftung des PEEK-Materials kann der Kleber sowohl vertikal als auch horizontal aufgetragen werden. Grundsätzlich ist stets nur eine Schicht aufzutragen, um die bestmöglichste Haftung zu gewährleisten. Bei Hochtemperaturkunststoffen sollte die Druckplatte vor jedem Druck gereinigt und mit dem Nano Polymer Adhesive bestrichen werden. Für Standardfilamente wie ABS oder PLA ist dieser Schritt erst nach mehreren Druckprozessen notwendig. In unserem Test hielt das Nano Polymer Adhesive mindestens 20 ABS-Drucke stand. Übrigens setzt der Hersteller auf sichere nicht-toxische Komponenten. Demnach gibt es auch keine Geruchsbildung wie bei anderen Klebern wie Dimafix.

PEEK – Verarbeitungstipps

In unserem Test haben wir unzählige Testmodelle verarbeitet, bis wir die optimalen Parameter ermitteln konnten. Um PEEK verarbeiten zu können, sind folgende Tipps zu beachten:

1. 3D-Drucker kalibrieren

Zunächst einmal sollte der 3D-Drucker vollständig kalibriert werden, indem in der Mitte des Druckbetts ein Viereck gedruckt wird. Der Live-Z Offset sollte dabei so gewählt werden, dass die einzelnen Linien der Kästchen miteinander verbunden sind.Wenn es Lücken gibt oder das Material nicht richtig haftet und mitgerissen ist, ist das ein Indiz dafür, dass die Druckdüse zu weit vom Druckbett entfernt ist. Ist die Druckdüse zu nah am Druckbett, wird das Materiial “aufgerissen” und es entstehen rauhe Oberflächen.

Die Extruder-Steps (PLA-Filament mit einer Extrusionsgeschwindigkeit von 2,5mm/s) sollten ebenso angepasst werden wie der optimale Abstand zwischen der Druckdüse und dem Druckbett. Auch das PID-Tuning sollte nach einem Thermistorwechsel durchgeführt werden.

Der Prusa i3 MK3S unterstützt außerdem die sogenannte “Mesh Bed Correction” für das Bettfeintuning. Da das Druckbett grundsätzlich niemals vollständig eben ist, gibt es die Möglichkeit an den vier Endpunkten die Nivellierung einzeln nachzujustieren. Aber auch damit kann nicht jede Unebenheit des Druckbetts ausgeglichen werden. Deshalb sollten mehrere Kästchen auf dem Druckbett verteilt gedruckt werden, um zu identifizieren, an welcher Position die Schichthaftung optimal ist, da ansonsten die Haftung des PEEK-Objekts unzureichend ist und Warping die Folge ist.

2. Drucktemperatur und -geschwindigkeit

PEEK reagiert auf Temperaturunterschiede sehr empfindlich und sollte stets in einer geschlossenen Druckkammer verarbeitet werden, um das schnelle Abkühlen des Materials zu verhindern. Wenn die Einhausung selbst über keine Temperaturregulierung verfügt, kann auch eine einfache geschlossene Druckkammer verwendet werden und gegebenenfalls mit hitzebeständigen Alumatten verkleidet werden, um die Wärme im Inneren zu isolieren. Es sollten Temperaturen von mindestens 40-50°C erreicht werden können, wobei zur Vermeidung von Warping für größere Objekte mindestens 70°C gegeben sein sollten.

PEEK kann mit einer Druckdüsentemperatur von 365-450°C verarbeitet werden. Die Druckbetttemperatur sollte mindestens 120°C betragen.

Eine nicht optimale Temperatur kann zu unschönen braunen Verfärbungen des Endprodukts führen. Auch eine unzureichende Schichthaftung ist auf eine suboptimale Temperaturwahl zurückzuführen. Der Lüfter für die Bauteilkühlung sollte während des gesamten Druckprozesses deaktiviert werden, da dieser zu Temperaturschwankungen führen kann und gleichzeitig das Material schneller abkühlen lässt. Die Folge sind ebenfalls braune Verfärbungen und eine unzureichende Schichthaftung. Übrigens können auch Materialverunreinigungen zu dunklen Flecken führen. Das PEEK von W2 Filaments war in unserem Test ausnahmslos rein.

Da PEEK sehr schnell abkühlt bzw. fest wird, können Überhänge im Gegensatz zu anderen Materialien wie ABS komplett ohne das Hinzuschalten eines Lüfters und ohne Support-Strukturen verarbeitet werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass kleine Objekte schnell überhitzt werden und sich verformen. Entweder werden mehrere Objekte der gleichen Höhe gleichzeitig gedruckt, um dem Material bzw. der Schicht eine Pause zum Abkühlen einzuräumen, oder man schaltet den Lüfter ab der entsprechenden Schicht hinzu, was jedoch zu Verfärbungen führen kann. Auch das manipulieren des G-Codes ist denkbar. In unserem Test haben wir für einen Lüfter-Aufsatz das Objekt ohne Lüfter gedruckt und diesen erst ab der entsprechenden Schicht mit kleinen Teilen hinzugeschaltet.  

Die Druckgeschwindigkeit sollte an das entsprechende Material und der gewählten Drucktemperatur angepasst werden. Die Druckgeschwindigkeit des PEEK von W2 Filaments beträgt 5-10mm/s, wobei wir das Material auch mit bis zu 20mm/s verarbeitet haben. Kleine Objekte sollten jedoch mit 10mm/s gedruckt werden, während größere Objekte mit 5mm/s gedruckt werden sollten, um unter anderem das sogenannte Wapring zu minimieren.Bei kleinen Teilen an Objekten kann das hinzuschalten des Lüfters auf ca. 7% hilfreich sein, um Verformungen des Materials zu verhindern. Wer mit 20mm/s druckt und kleine Teile am Objekt hat, solllte den Lüfter von 7% auf etwa 8-9% anheben, da die entsprechenden Teile schneller gedruckt werden und sich die Abkühlzeit nochmals verkürzt, bis die nächste Schicht gedruckt wird.

Zusätzlich wird ein Brim (Rand) von mindestens 5-7mm empfohlen, um die Haftung weiter zu verbessern.

3. Saubere Druckdüse

Nach jedem Druckvorgang mit PEEK sollte die Druckdüse gereinigt werden. Zunächst einmal sollte die Druckdüse auf der zuletzt verwendeten Temperatur aufgeheizt werden und das Filament aus dem Drucker entfernt werden. Anschließend kann mit einem passenden Werkzeug von oben das verbliebene Material aus der Druckdüse gedrückt werden. Gleichzeitig kann mit einer Nadel die Druckdüse gesäubert werden. Diesen Schritt mehrmals wiederholen, bis kein Material mehr aus der Düse heraustritt. Die Druckdüse selbst kann von außen mit einer sogenannten Brass-Bürste gereinigt werden. Stahlbürsten würden die Druckdüse zerstören.

4. Das richtige Druckbett

Gedruckt werden kann auf diversen Unterlagen. Jedoch kann beispielsweise die BuildTak Druckbettunterlage mit maximal 125°C umgehen, während andere Druckbettunterlagen wie Glasplatten aus Borosilikat für Temperaturen bis ca. 800°C ausgelegt sind. Dafür wird jedoch ein spezieller Klebestift empfohlen, um die Haftung zu verbessern.Die besten Erfahrungen Erfahrungen haben wir mit dem Polymer Adhesive XYZ gemacht. Zum Thema Borosilikat-Glasdruckplatte haben wir eine Anleitung zusammengestellt, um den Einsteig zu erleichtern. https://www.pcpointer.de/artikel/prusa-i3-mk3s-druck-auf-glasdruckplatten/

Für PEI Unterlagen wird kein zusätzliches Haftmittel benötigten. Die Haftung ist direkt auf der PEI Schicht ausgezeichnet, wobei diese je nach Spannung im Material mehr oder weniger schnell selbst an Haftung verliert und sich von der entsprechenden Druckplatte löst. 

Übrigens sollte der Abstand zwischen Druckbett und Druckdüse so gewählt werden, dass die Nozzle nicht zu nah am Druckbett anliegt und auch nicht zu weit davon entfernt ist. Ansonsten kommt es entweder zu einer gelösten PEI-Schicht oder eben zu einer unzureichenden Haftung.

5. PEEK trocken halten

Das Material sollte wie jedes andere auch kühl und trocken gelager werden.

Slicer-Einstellungen

Parameter Wert
Infill Density/Pattern 20-35%/Grid
Layer Height 0.2-0.25
Brim Ja, 5mm und bei größeren Objekten 7-10mm
Printing Temperature 390-420°C (Optimal: 420°C)
Build Plate Temperature 120-140°C (Optimal: 132°C)
Flow 100% (Optimal: 91%)
Retraction Distance 0.8 (Direct-Extruder)
Print Speed 5-10mm/s
Fan Speed Aus; Brückenventilatorgeschwindigkeit: 15%
(Optimal: 7% bei sehr kleinen Objektteilen ab entsprechender Schichthöhe; 8-9%, falls Speed > 10mm/s)

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